Der Familientag im Sahnpark begann mit einer passenden Nachricht: Torhüter Kevin Reich wurde kurz vor Spielbeginn Vater eines Sohnes. Die Freude über den Nachwuchs war groß, sportlich bedeutete das jedoch eine kurzfristige Umstellung. Da auch Christian Schneider wegen einer Unterkörperverletzung fehlte, stand plötzlich der 21-jährige Louis Eisenhut vor seinem DEL2-Debüt. Der junge Goalie, bislang mit Oberliga-Erfahrung aus Memmingen und Deggendorf, erhielt damit eine Bewährungsprobe, die er sich wohl anders vorgestellt hatte.
Noch bis kurz vor dem Warm-up hoffte das Team, dass Reich es rechtzeitig vom Krankenhaus in die Arena schaffen würde. Trainer Jussi Tuores wartete bis 45 Minuten vor dem Eröffnungsbully mit der endgültigen Entscheidung. Dann war klar, dass Eisenhut beginnen würde. Die Gäste aus Bietigheim, die als Tabellenletzter anreisten, sahen ihre Chance, die Verunsicherung des Gegners auszunutzen. Nach dem überzeugenden 4:3-Sieg in Landshut zwei Tage zuvor wollten die Eispiraten eigentlich das erste Sechs-Punkte-Wochenende der Saison perfekt machen. Am Ende wurde es das erste 6-Punkte-Wochenende für die Gäste.
Früher Schock und wackelige Defensive
Das Spiel begann mit einem Kaltstart: Bereits nach 50 Sekunden schlug der erste Schuss der Steelers hinter Eisenhut ein. Verteidiger Maximilian Söll traf bei verdeckter Sicht ins lange Eck. Doch die Eispiraten reagierten schnell und wie: Nach nur acht Sekunden im ersten Powerplay drückte Dylan Wruck die Scheibe zum 1:1 über die Linie (3.).
Das sollte eigentlich Sicherheit bringen, doch die Defensive blieb nervös. Bei einem abgefälschten Schuss von Alexander Preibisch (5.) war Eisenhut erneut machtlos. Die Bietigheimer Führung spiegelte die Anfangsphase wider: Crimmitschau suchte nach Ordnung, agierte zu offen im eigenen Drittel. Erst in der zweiten Hälfte des Abschnitts kam das Team besser ins Spiel, erarbeitete sich mehrere Großchancen, doch Olafr Schmidt im Tor der Gäste war mehrfach Endstation. Nach 20 Minuten stand es 1:2 . Die Eispiraten hatten ihr erstes Auftaktdrittel der Saison verloren.
Einbruch nach dem Ausgleich
Mit viel Schwung kam Crimmitschau aus der Kabine. Kapitän Dominic Walsh traf nach feiner Vorarbeit von Corey Mackin in der 25. Minute mit seinem zweiten Tor zum 2:2. Doch der vermeintliche Aufbruch drehte sich binnen weniger Minuten in eine Abwärtsspirale. Die Eispiraten verloren die Struktur, Bietigheim legte an Tempo und Präzision zu.
Ein Doppelschlag innerhalb von 40 Sekunden stellte die Partie auf den Kopf: Cole Fonstad traf im Powerplay zum 2:3 (30.), kurz darauf erhöhte erneut Preibisch auf 2:4 (31.). Crimmitschau wirkte desorientiert, die Abwehr ließ immer wieder Schüsse aus dem Slot zu. Dazu kamen unglückliche Ablenkungen, zweimal fälschten eigene Verteidiger die Pucks unhaltbar ab. Jack Dugan nutzte die Unordnung zum 2:5 (34.).
Erst kurz vor der Pause kam noch einmal Leben auf: Walsh verkürzte 14 Sekunden vor der Sirene auf 3:5. Doch der Hoffnungsschimmer hielt nur Sekunden – vom anschließenden Bully weg traf Marek Racuk zum 3:6 (39:59). Der Gegentreffer unmittelbar vor der Pause war der endgültige Nackenschlag.
Später Ehrentreffer ohne Wirkung
In der Kabine dürfte es laut geworden sein. Trainer Tuores forderte Konzentration und Charakter – und bekam zumindest mehr Einsatz zu sehen. Die Eispiraten versuchten, das Spieltempo zu erhöhen, doch Bietigheim spielte nun abgeklärt, lauerte auf Konter und machte die neutrale Zone dicht. Crimmitschau lief immer wieder an, kam aber selten gefährlich durch. Nur die erste Angriffsreihe mit Mackin, Wruck und Walsh erzeugte Torgefahr, während die übrigen Formationen kaum Akzente setzten. In der 58. Minute verkürzte Mackin im Powerplay bei 6-gegen-4 noch auf 4:6. Mehr als Ergebniskosmetik war das aber nicht.
Fazit: Emotionen abseits des Eises
Es war ein bitterer Nachmittag im Sahnpark und doch einer, der in Erinnerung bleiben wird. Während Kevin Reich Vater wurde, erlebte sein Team eine der schwächsten Vorstellungen der bisherigen Saison. Ohne defensive Stabilität, mit vielen Stellungsfehlern und einem überforderten Unterzahlspiel verlor Crimmitschau verdient gegen couragierte Bietigheimer. Trainer Tuores brachte es auf den Punkt: „Wir haben zu viele Chancen im Slot zugelassen.“ Die Steelers nutzten diese eiskalt und feierten ihren zweiten Sieg in Folge. Für Crimmitschau bleibt die Erkenntnis, dass selbst ein emotionaler Ausnahmezustand keine Entschuldigung für Nachlässigkeiten ist.
Positiv: Die Freude in der Kabine über den neuen kleinen „Reich“ war trotz Frust spürbar und mit der Rückkehr des frischen Papa (und von Christian Schneider) dürfte auch sportlich bald wieder Ruhe einkehren.