Wer im September 2016 behauptet hätte, dass Crimmitschau und Rosenheim in der entscheidenden Playdown-Runde um den Klassenerhalt spielen und einer der beiden DEL2-Traditionsvereine sportlich absteigen würde, dem hätte man wohl mindestens einen Vogel gezeigt. Nun aber ist es in der Tat soweit und in Westsachsen und Südbayern steigt der Showdown für den Verbleib in der DEL2. Zwei Teams, die eine verkorkste Saison hinter sich haben, geprägt von Verletzungen, Personalrochaden und vielen Rückschlägen. Und zwei Teams, die die monatelange Tristesse im Tabellenkeller nun mit 4 Siegen ruckzuck vom Tisch wischen können. Welche Mannschaft zuerst durchs Ziel laufen wird, ist zumindest auf dem Papier vollkommen offen.

Wie offen, das zeigt der nachfolgende Teamvergleich.

Trainer
Rosenheim verbindet man unweigerlich mit Franz Steer. Das Lebenswerk des gleichermaßen grimmigen wie sympathischen Ur-Bayern bleibt aber unvollendet, nachdem der Verlust der Serie gegen Heilbronn ihm den Job kostete. Thomas Schädler hat nun das Zepter in der Hand. Schädler, der in den 90ern als Spieler in der DEL (Rosenheim, Schwenningen) und in der 2. Liga (Heilbronn) erfolgreich war, ist seit 2008 Coach der Rosenheimer DNL-Mannschaft und kennt daher viele aktuelle Starbulls-Spieler schon von früher. Schädler dürfte also durchaus wissen, an welchen Stellschrauben er zu drehen hat, um die Starbulls in die Spur zu bringen. Auf Crimmitschauer Seite vermisst man dies noch etwas, denn in dem nunmehr dreimonatigen Wirken von John Tripp sind echte Verbesserungen noch nicht ans Tageslicht gekommen, irgendwelche Baustellen waren immer. In den Playdowns zählen aber vor allem auch Motivation und Leidenschaft, die Spezialtugenden des John Tripp als Spieler. Kann er es als Coach auch seinem Team vermitteln, so würde das die Eispiraten schon ein ganzes Stück nach vorne bringen. Fazit: Unentschieden.

Torhüter
In Spiel 1 wird Henning Schroth wegen der Nie-Sperre wieder im Kasten stehen, was aber für Crimmitschau kein Nachteil ist. Schroth hat in Bad Nauheim seine Sache gut gemacht, trotz des Gegentores zum 3:1, das auf seine Kappe ging. Denn auch Rosenheims Timo Herden blieb in der Runde gegen Heilbronn keinesfalls fehlerfrei und kassierte durchschnittlich 3.34 GT in den 6 Spielen bei einer Fangquote von 91.47%. Wenn Eispirat Ryan Nie wieder ins Team zurückkehrt, dürfte sich aus der Ausgeglichenheit sogar ein Vorteil Crimmitschau entwickeln.

Defensive
Hm, wenn Crimmitschau also auf der Goalie-Position angeblich einen Vorteil gegenüber den Starbulls hat, wie konnte es dann überhaupt dazu kommen, dass die Eispiraten mit 210 Gegentoren in der Hauptrunde die Schießbude der Liga waren? Die Antwort darauft liegt in der Tat im Defensivbereich, denn hier offenbarten sich bei den Sachsen Lücken noch und nöcher. Rosenheim kassierte in der Hauptrunde mit 183 Toren deutlich weniger, allerdings ist die Leistungsdichte im Kader der Bayern doch recht überschaubar, zumal mit Kapitän Peter Lindlbauer ein wichtiger Eckpfeiler verletzungsbedingt ausfällt. Da bleiben eigentlich nur noch der US-Amerikaner Cameron Burt (48 Sp, 8+21) als Ankurbler des Aufbauspiels mit leichten Schwächen im Verteidigungsmodus sowie Ur-Gestein Michael Rohner (38 Sp, 3+13) als Leistungsträger übrig. Der Finne Joonas Valkonen (17 Sp, 1+1), der in den letzten beiden Partien gegen Heilbronn fehlte, ist ebenso wenig eine echte Stütze in der SBR-Abwehr wie der mit höheren Erwartungen verpflichtete Stephan Kronthaler (58 Sp, 4+7). Den jungen Gustav Veisert, Max Meirandres, Christoph Gottwald und Andreas Nowak fehlt es an Erfahrung und Routine. In der Eispiraten-Abwehr steckt mehr Offensivpower als in der Hintermannschaft der Rosenheimer, dafür stehen die Oberbayern hinten stabiler. Ein Vergleich fällt also schwer, da sich Stärken und Schwächen jeweils anders verteilen und sich damit anders spielentscheidend auswirken können. Im Zweifel: Unentschieden.

Offensive
Chancen über Chancen, aber keine Tore. Oder gleich gar keine Chancen. So lässt sich das Offensivspiel beider Kontrahenten in der bisherigen Saison beschreiben. Sowohl Crimmitschau (135 Tore in 57 Spielen) als auch Rosenheim (140 Tore in 58 Spielen) geizten bislang mit Toren. Bei den Cracks vom Inn wird beim Blick auf die Scorertabelle schnell deutlich, woran das liegt: Es fehlt an der Breite. Da stehen mit den Kanadiern Tyler McNeely (49 Sp, 24+35) und Tyler Scofield (53 Sp, 26+31) zwei Spieler einsam und alleine an der Spitze und danach kommt lange, lange, lange niemand, den man als Offensivmonster bezeichnen könnte. Lediglich mit dem Deutsch-Iren Joseph Lewis (44 Sp, 9+20) hat sich inzwischen ein dritter Stürmer an die Seite der beiden Tylers gesellt, der Gefahr versprühen kann. In den Playdowns hat dieses Trio durchaus Staub in der Heilbronner Abwehr aufwirbeln können und 7 der 10 Rosenheimer Tore bzw. zusammen 13 Scorerpunkte erzielt. Aber: In Spiel 5 und 6 fehlte der willensstarke und nie aufgebende Kämpfer McNeely und prompt war es aus mit der Herrlichkeit. Die Crimmitschauer sind also gut beraten, die erste Angriffsreihe der Rosenheimer an die Ketten zu legen. Das ist zwar nicht die halbe Miete zum Klassenerhalt, aber zumindest ein ganz, ganz wichtiges Teil im Puzzle. Die übrigen Teile heißen etwa Greg Classen (58 Sp, 7+16), Manuel Edfelder (54 Sp, 6+17), Maximilian Vollmayer (58 Sp, 6+17), Christian Neuert (46 Sp, 2+9), Dominik Daxlberger (34 Sp, 3+12), Leopold Tausch (56 Sp, 6+6) oder Yannick Wenzel (51 Sp, 2+7). Alle immer stets bemüht, aber im Großen und Ganzen offensiv recht mau. Hinzu kommt, dass auch im Sturm der Rosenheimer eher „Jugend forscht“ im Vordergrund steht und daher gerade die Erfahrung im Abstiegskampf fehlt. Die verletzten Routiniers Michael Baindl und Simon Fischhaber werden da schmerzlich vermisst. Bei den Eispiraten wissen wir, wie es aussieht: Große Namen, beeindruckende Karrieren, viel Erfahrung – dafür aber zu wenig Ertrag. Mit enttäuschenden Leistungsträgern (Lee, Ciernik, Pinizzotto, Bartek, St. Jacques) und noch dazu stagniederenden Hoffnungsträgern (Keil, Schlenker, Gollenbeck, Bucheli) lief bislang leider wenig zusammen im Angriff der Rot-Weißen. Vom Papier und den Namen her eigentlich Vorteil Crimmitschau, aber die „Wahrheit liegt auf´m Platz“ und daher: Unentschieden.

Fans
Verfolgt man die sozialen Medien, so bemerkt man natürlich auch auf Rosenheimer Seite Unzufriedenheit und stellenweise Resgnation. Aber während das Crimmitschauer Fanvolk nach vielen Jahren Abstiegskampf und den enttäuschten Erwartungen in dieser Saison mürbe und ausgelaugt scheint, erwecken die Rosenheimer Fans den Eindruck, durch die Playdown-Serie nur noch mehr zusammen zu rücken, um gemeinsam und bedingungslos diesen sch… Abstieg zu verhindern. Über 2.500 Fans haben im Schnitt die drei Heimspiele der Starbulls gegen Heilbronn verfolgt. In Crimmitschau waren es 1.000 weniger, wobei die 800 Zuschauer im zweiten Heimspiel gegen Bad Nauheim ein Schlag ins Gesicht der Crimmitschauer Eishockeygeschichte waren. Wer den Sahnpark und die Anhängerschaft der Eispiraten kennt, weiß, dass es im weiten Rund auch anders zugehen kann als in den letzten Monaten. Die Fans müssen es aber erst wieder zeigen (mehr dazu in den nächsten Absätzen). Deshalb: Vorteil Rosenheim.

Wer den Text bis hierher gelesen hat, bekommt nun noch einen kleinen philosophischen Exkurs.

Schicksal! Per Definition „der Ablauf von Ereignissen im Leben des Menschen, die als von göttlichen Mächten vorherbestimmt (geschickt) oder von Zufällen bewirkt empfunden werden, mithin also der Entscheidungsfreiheit des Menschen entzogen sind.“

Von „Schicksalspielen“ oder einer „Schicksalserie“ der Eispiraten zu sprechen, wäre also der grundlegend falsche Ansatz, denn weder ist die Entscheidung über Abstieg oder Nichtabstieg bereits vorherbestimmt noch ist sie der Entscheidungsfreiheit der Crimmitschauer entzogen. Und mit Crimmitschauer dürfen, ja müssen sich auch die Fans angesprochen fühlen.

Es sind nicht nur die Trainer auf der Bank und die Spieler auf dem Eis, die in den nächsten maximal zwei Wochen der Playdown-Serie viele Entscheidungen zu treffen haben. Nein, auch die Crimmitschauer Eishockeyfans stehen vor Entscheidungen. Du also! Genau DU! Bist DU bereit, die Vergangenheit auszublenden, um in der Gegenwart alles dafür zu tun, dass die Zukunft positiv wird? Bist DU bereit, nach einem Fall ohne Murren aufzustehen und weiterzulaufen? Bist DU bereit, einen Rückschlag nicht als Makel zu betrachten, sondern als eine Erfahrung, die dich stärker macht?

Du beantwortest die Fragen mit „JA“? DANN ZEIGE ES! CRIMMITSCHAU BRAUCHT DICH!