Seit Jahren bemüht sich der Serienhauptrundenmeister Kassel Huskies um die Rückkehr in die DEL und auch vor dieser Saison hat man in Nordhessen einmal mehr den personellen Grundstein für Großes gelegt. Die Nervosität vor einem erneuten Scheitern wächst aber mit jedem weiteren Punktverlust.



Zugegeben, der Einleitungstext liest sich wie ein Abgesang. Ein Abgesang auf ein gescheitertes Team, das seine Ziele nicht nur verfehlt hat, sondern kläglich daran zerbrochen ist. So oder so ähnlich geht es aber wahrscheinlich in einigen Fan-Köpfen in und um Kassel vor. Und man möchte meinen, dass das für einen Tabellendritten, der mit 55 Punkten, 94:76 Toren und einem Spiel weniger auf Tuchfühlung zum Spitzenreiter Krefeld ist, eigentlich völlig gaga ist. Die Ansprüche in Kassel sind aber nun mal andere und nach drei Hauptrundentiteln in Folge ist die Nummer 4 wohl Kassels Selbstverständnis und alles andere schon eine mittlere Katastrophe. Apropos: Dass die Schlittenhunde am zurückliegenden Wochenende tatsächlich 0 Punkte einfuhren, lässt die Nervositätskurve an der Fulda kräftig in die Höhe schnellen.

So kommen das Team und vor allem der kanadische Coach Todd Woodcroft aus einer latenten Dauerkritik irgendwie nicht wirklich raus. Wobei an dem Vorwurf, dass das Team nicht an seine Grenzen geht, geschweige denn darüber hinaus, vielleicht nicht einmal so unangemessen ist. Für die Möglichkeiten, die der Kader bietet, ist das bisher Erreichte vielleicht ok, aber mehr wahrscheinlich auch nicht.

Frei von jeglicher Kritik der Huskies-Fans ist allenfalls Philipp Maurer (23 Sp, 2.40 GT/Sp, 90.91%, 2 SO), der fast durchgängig herausragende Leistungen zeigt und mit seinen 25 Jahren den Alt-Stars Oleg Shilin (D-RUS, 7 Sp, 2.14 GT/Sp, 90.85%, 1 SO) und Brandon Maxwell (D-CAN, 1 Sp, 3.89 GT/Sp, 84.62%, 0 SO) deutlich den Rang abgelaufen hat.

In der Defensive – anhand der Gegentore immerhin die viertbeste der Liga – tummeln sich mit Bode Wilde (D-USA, 29 Sp, 5+14), Simon Schütz (29 Sp, 2+9), Tim Bender (17 Sp, 0+9) und Andrew Bodnarchuk (D-CAN, 27 Sp, 3+5) echte Abwehrgallionsfiguren und auch Marco Müller (22 Sp, 1+0) ist nicht nur DEL2-Urgestein, sondern die berühmte Brechstange, wenn es drauf ankommt. Luca Münzenberger, Ben Stadler und der bei der U20-WM weilende Manuel Schams fügen sich in die insgesamt sehr stabile Abwehr ein.

Im Sturm des Huskies versammelt sich die Creme de la Creme der Liga und in Sachen Scoringtouch kann da wohl nur noch Krefeld mithalten. Beispiele gefällig? Da wäre etwa der kanadische Topscorer Tyler Benson (26 Sp, 8+20), der auf 38 NHL- und 287 AHL-Spiele zurückblickt. Oder die lettische Bowlingkugel (101 kg auf 183 cm Körpergröße) Kaspars Daugavins (11 Sp, 1+4), der mit seinen 37 Jahren als aktueller und bald 300-facher lettischer Nationalspieler schon so ziemlich alles erlebt hat, u. a. 459 KHL-, 98 NHL- und 212 AHL-Spiele. Weiter geht es mit Hunter Garlent (CAN, 28 Sp, 10+16), Dominic Turgeon (USA, 26 Sp, 11+7) und Mitchell Hoelscher (CAN, 23 Sp, 2+12), womit die Huskies auf 5 Kontingentstürmer kommen und deshalb immer einen Angreifer auf die Tribüne schicken müssen. Auffällig ist allerdings, dass gemessen an ihrer jeweiligen Vita die Ausbeute an Scorerpunkten durchaus Fragen aufwerfen kann. Auch um die Qualitäten eines Tristan Keck (D-CAN, 28 Sp, 12+9), Yannik Valenti (29 Sp, 5+9), Darren Mieskowski (26 Sp, 5+7), Jake Weidner (D-CAN, 29 Sp, 5+6) und Laurin Braun (29 Sp, 3+5) braucht man eigentlich in keinster Weise diskutieren. Bei allen hat man aber dennoch das Gefühl, dass da noch mehr geht als bislang gezeigt. Die jungen Michael Bartuli (28 Sp, 10+1) und Maciej Rutkowski (D-POL, 28 Sp, 4+3) gelten da schon als erfrischende Ausnahmen. Darüber hinaus sind im Sturm noch Hans Detsch (20 Sp, 0+7) und Clemens Sager (19 Sp, 0+2) aktiv.

Gegen die Huskies anzuretreten, hat was von Forrest Gump und seiner Pralinenschachtel: Man weiß nie, was drin ist. Erwischt man Kassel an einem guten Tag, verbucht man die Spesen und das war´s. Diese guten Tage der Schlittenhunde sind in den Augen vieler Huskies-Fans aber sehr, sehr selten, weshalb man als Eispiraten-Anhänger schon fast dazu geneigt ist, sich vom Auswärtsauftritt der Crimmitschauer in Kassel etwas auszurechnen. Sollten die Umstände aber normal sein und man vom Papier ausgehen, dürften die Westsachsen in Nordhessen schlichtweg nichts zu bestellen haben. Als krasser Außenseiter können die Tuores-Schützlinge also frei aufspielen und dann schauen wir mal, was der Druck, der zweifelsohne tonnenschwer auf den Huskies lastet, so alles bewirken kann.