Das Geschichtsbuch der Crimmitschauer Eishockeymannschaft ist um ein weiteres Kapitel gefüllt. In einem völlig irren Spiel mit 88. Minuten Spielzeit war es Dominic Walsh, der am Ende den erlösenden Treffer zum 6:5 n.V. für die Hausherren erzielte und damit die Krefeld Pinguine in das Tal der Tränen stürzte. 3 Videobeweise, 2 Doppelschläge, 23.732 Nervenzigaretten, 18.456 Beruhigungsbiere, zerstörte Stimmbänder, ein Endorphinausschub, der für die nächsten 48 Jahre reicht und 442. Minuten Eishockeywahnsinn fanden ihren Platz in den Erinnerungen der Eispiratenfans. In einer überaus hart geführten Serie nahm die Achterbahn volle Fahrt auf und einige Male drohte sie aus der Bahn zu fliegen. Heute wollen wir noch einmal mit euch auf diesen denkwürdigen Abend zurück blicken, bevor dieses ganz besondere Kribbeln, wenn man zum Sahnpark läuft bereits wieder aufkommen darf.

„Was machen wir heute Brain?“
„Das selbe was wir jeden Abend machen Pinky, wir versuchen die Weltherrschaft an uns zu reißen.“
890 Spiele hat es gedauert bis den Eispiraten Crimmitschau erstmals der Einzug ins Halbfinale der DEL 2 gelang und ähnlich wie bei der Warner Bros. Cartoonserie Pinky und Brain bei der zwei Labormäuse versuchen die Weltherrschaft an sich zu reißen, dürften auch Tobias Lindberg und Colin Smith vor dem Spiel in der Eispiratenkabine gesessen haben. Das Mastermind Smith und der Vollstrecker Lindberg sollten an diesem denkwürdigen Abend also einen weiteren Anlauf auf die Weltherrschaft, oder den Halbfinaleinzug nehmen. Gehen wir rein? Wir gehen rein!

Lediglich 70 Sekunden hatte es gedauert bis Felix Bick das erste Mal vor zitternden Knien den Puck durch rutschen ließ. Das schwarz – gelbe Nervenbündel, was eher Willy von Biene Maja glich, als einem gestandenen DEL 2 – Torhüter ließ einen Puck von Reichel durch die Beine passieren und legte ihn sich artig in den eigenen Kasten. Stimmungskiller, wie die Zebras nun mal sind, wollten sie die Crimmitschauer aber nicht gleich feiern lassen und überprüften das Tor noch einmal. Ich bin ja der Meinung, wenn die Schiris das Tor zwei Mal sehen dürfen, sollte es auch doppelt zählen, aber gut – diese Meinung habe ich vielleicht etwas exklusiv. Nachdem die Schiedsrichter also zum zweiten Mal richtig erkannt hatten, dass das Tor regulär war, stand das 1:0 auf der Anzeigentafel und die Eispiraten waren in Führung.

Krefeld schüttelte sich kurz und spielte dann weiter aktiv mit und in der 11. Minute war es so weit – Auftritt von „The Hoff.“ – nein, nicht David Hasselhoff, das wäre wahrscheinlich eine richtige Party geworden – der kleine Bruder von Haselhoff – Christian Ehrhoff zirkelte den Puck von der blauen Linie Richtung Christian Schneider und der kleine, schwarze Teufel tänzelte durch Freund und Feind und durch die Beine von Christian Schneider zum 1:1. Pinky und Brain setzten sich daraufhin auf der Mannschaftsbank zusammen und überlegten, wie sie den Pinguinen wieder den Wind aus den Flügeln nehmen können und nutzten dafür das Powerplay in der 17. Minute. Kreutzer von rechts mit Pass zu Smith auf links, Smith mit Pass zu Lindberg in den Slot, der hielt den Schläger rein und die schwedische Scoringmaschine sauste stürmisch schreiend vor Freude über das Eis 2:1 Eispiraten. Zur Kategorie „Kacktor des Jahres“ sollte sich dann 2. Minuten später der Treffer von Matt Marcinew entwickeln. Marcinew nahm in einem 2 auf 1 Konter Alexander Weiß mit und lediglich Felix Thomas war es zu verdanken, dass der Schuss von Marcinew von seinem Schlittschuh hoch in die Plexiglasscheibe abgefälscht wurde. Frecherweise überlegte sich das Spielgerät allerdings von dort wieder Richtung Tor zu springen und vom Rücken von Christian Schneider tropfte die Scheibe in den Kasten. Auch hier überprüften die Schiedsrichter das Tor und erkannten es an.

Wer Drittel 1 schon unterhaltsam fand, sollte ja keine Ahnung haben, was in Drittel 2 geschieht. Innerhalb von 28 Sekunden hatten die Pinguine von 2:2 auf 2:4 gestellt und verwundert rieb man sich die Augen was da gerade passiert war. Nach gewonnenem Eröffnungsbully schlenzte Scalzo den Puck in die Mitte zu Marcinew, der nach links außen zu Weiß passte und dieser passte den Puck punktgenau auf den Schläger von Josh MacDonald, welcher am langen Eck zum 2:3 einnetzen konnte. Sah verdammt nach einem Pinky und Brain – Angriff aus, aber halt in hässlich. Damit hatte der Captain also wieder etwas gut zu machen und dies sollte er auch – aber dazu später. Lediglich 28 Sekunden später kreiselte Krefeld schon wieder im Drittel von Crimmitschau. Von der Grundlinie lief Gotz bis in die Mitte der Zone, zog ab und vollendete seine Offensivaktion mit dem 2:4. Normalerweise wird man sonst nur von irgendwelchen, zwiespältigen Versicherungsvertretern so abgezogen. Doch die Eispiraten rappelten sich auf und ein absoluter Geniestreich von Henri Kanninen sollte die totgeglaubten Sachsen erfolgreich wiederbeleben. Kanninen startete auf Höhe der eigenen, blauen Linie, lief in die Mitte, ließ mit einer Körpertäuschung Marcinew aussteigen und während Marcinew Kanninen hinterherweinte wie seiner verflossen Jugendliebe marschierte Kanninen weiter. Im zweiten Akt nahm der finnische Verführer Buschmann aus wie eine Weihnachtsgans, der noch verzweifelt versuchte Kanninen nach außen zu drängen und im Fallen vollendete Henri the Cannon seinen Dreier, indem er Felix Zitterbein zum zweiten Mal an diesem Abend das Spielgerät durch die Beine schob. Nur noch 3:4 und im Sahn brodelte die Stimmung. Minutenlang japsten, die Krefelder den Crimmitschauern hinterher, doch irgendwie sollte es ihnen gelingen sich ohne weiteren Schaden in die Drittelpause zu retten.

Im letzten Drittel nahm der Wahnsinn dann seinen Lauf. Yamaha Kawasaki, oder war es Jonathan Matsumoto? Jedenfalls nahm Suzuki Ducati den Puck von Leitner in  der 44. Minute für einem schnellen Konter auf und lief frei stehend auf Schneider zu. Leider hatte Schneider jetzt schon zu oft gesehen, wie es nicht geht und hatte sich bei seinem Gegenüber abgeschaut, wie der Puck durch die Beine gelangen kann. Matsumoto hatte Schneider hier clever getäuscht, indem er einen flachen Schuss nach rechts andeutete und dann durch die Beine zum 3:5 vollendete. Ein Wirkungstreffer? Und wie! Die Eispiraten rannten an, schienen aber keine Wege mehr zu finden auf das Scoreboard zu kommen. Bis, ja bis – der Captain, ihr wisst schon, der, der noch was gut zu machen hatte in der 56. Minute seine Sternstunde hatte. Brain legte von der Grundlinie der Krefelder zurück an die blaue Linie zu Olleff und dieser schob den Puck zu Scalzo. Lindberg und Walsh nutzten die eng stehende Box um den Blick für Bick zu verdecken und Super Mario zog ab, zielte genau auf die Kniescheibe von Christian Ehrhoff und da Ehrhoff wusste, dass Bick den sowieso nicht hält, gab er dem Puck die entscheidende Wendung um Bick nicht ganz so alt aussehen zu lassen und fälschte den Puck ins eigene Tor ab. Nur noch 4:5.

Doch die Sekunden verrannen, die Fingernägel waren abgekaut, die Haare ausgerissen. Der Ruhepuls der meisten Crimmitschauer Fans lag bei 180 bis sich „The Mastermind“ Colin Smith in der 58. Minute ein Herz fasste. Der Typ muss vor jedem Spiel im antarktischen Eismeer baden und dabei kleine Pinguine erwürgen so cool wie er für den Ausgleich sorgte. Dominic Walsh war zentral ins Drittel gestartet und legte rechts auf Smith zurück, der MacDonald ins Leere laufen ließ und weil Buschmann eben leichter zu vernaschen ist, als ein Windbeutel, verzögerte Smith noch einmal damit dieser artig die Lücke auf machte. Mr. Cold as ice schlenzte den Puck links halbhoch über die Schoner von Bick und brachte mit seinem Treffer zum 5:5 den Sahnpark fast zum Einsturz. Grenzenloser Jubel, Fans, die sich schreiend in den Armen lagen, weinende, lachende, schockierte Gesichter – oh Eishockey bist du geil! – und die Elsa im Eispiratentrikot? Riss entspannt die Arme auseinander, schlitterte auf die Uffta – Gerade zu und schien hier lediglich business as usual erledigt zu haben. Selten war der Sahnpark so laut, selten der Gegner so entsetzt und selten ein Kerl so cool wie Colin Smith. 132 Sekunden vor Ultimo hatte der Deutsch – Kanadier den Pinguinen einen entscheidenden Stich ins Herz versetzt. 132 Sekunden waren es noch bis zum Erreichen des Halbfinales für die Niederrheiner und 132 Sekunden vor Ende wollten die Eispiraten noch nicht in die Sommerpause.

In der Verlängerung gab es einen weiteren Videobeweis, als Schneider mehrfach gegen Krefeld retten musste, aber die Schiris erkannten auch hier, dass der Puck die Linie nicht überschritten hatte und dann kam unser Moment. In der 88. Minute war es so weit – das Mastermind setzte für einen letzten Geniestreich und den Todesstoß für die Pinguine an. Über links lief Smith in die Krefelder Zone und schaute sich in Seelenruhe, die Krefelder aus – was nun folgte war kollektiver Wahnsinn. Smith schlenzte den Puck – natürlich, an wem sonst? an Buschmann vorbei aufs lange Eck und vor dem Tor nahm Dominic Walsh die Scheibe auf. Ein Moment in dem die Zeit still stand, Schockstarre bei Krefeld, Ungläubigkeit bei Crimmitschau und der Wolfgang der Eispiraten legte locker lässig von der Vorhand, auf die Rückhand, an Bick vorbei, die Scheibe ins Tor. Stille. Schock. Bis der entscheidende Pfiff ertönte und der Hauptschiedsrichter mit fuchtelnden Armen auf den Kasten zeigte und damit bedeutete – Crimmitschau ist im Halbfinale! Das Tor zählt! Der Wahnsinn hat einen Namen! Das Stadion explodierte – Leute stiegen auf die Geländer, sprangen auf der Bande hoch, Schreie, Jubel, Bengalos und grenzenlose Euphorie – Dominic, du geile Sau! Was für ein Herz! Was für ein Schlag! Was für ein Finale! für dieses denkwürdige Spiel. Die Eispiraten hatten es geschafft und der Traum vom Halbfinale darf gelebt werden. Kurios in dieser Szene war, dass Krefeld sogar mit 6 Mann agierte, aber 6 Mann sind für einen Smith und einen Walsh eben doch nur ein Snack.

Damit ging eine unglaublich aufregende Serie zu Ende, bei der sich tot geglaubte Krefelder eindrucksvoll in die Serie zurück kämpften. Shorthander, Doppelschläge, moralbrechende und Moral schaffende Teams gaben sich keinen Zentimeter auf dem Eis geschenkt und führten eine brachial harte, aber geile Serie zu einem glücklichen Ende für die Eispiraten. Die Fanlager beider Mannschaften liefen zur Hochform auf und auch, wenn es hier, wie da auch Ausfälligkeiten gab, konnte der Großteil auf dem Eis geklärt werden. Alexander Weiß, Felix Bick, Christian Ehrhoff und die anderen Spieler der Krefeld Pinguine zeigten sich am Ende als faire Verlierer, gratulierten den Eispiraten zum Weiterkommen und mir hallt für immer Piet’s „Ich glaub, ich muss noch ein Tor ansagen.“ in den Ohren. Breit grinsend und voller Euphorie ging es dann nach Hause und bereits heute Abend geht es weiter – Das Frühlingsmärchen der Eispiraten Crimmitschau.